A Kind of SwingLia Pale’s Liebe zum Straight-Ahaed-Jazz lebt sie hier erstmals mit ihren zwei kongenialen Partnern aus.The Brahms Song BookLia Pale singt andersrum: Vom Kunstlied zum Jazzstandard und retour„The Other Way Around“ - kein Motto könnte auf die Sängerin Lia Pale besser passen. Seit sieben Jahren macht sie zu Arrangements von Mathias Rüegg aus Kunstliedern Songs. Nach Schubert und Schumann hat sie nun mit „The Brahms Song Book“ (Lotus Records) ihre persönliche Trilogie vollendet. Die gestrige CD-Präsentation begann aber „the other way around“: mit zu Liedern arrangierten Jazzstandards.Das nur zu zwei Dritteln gefüllte Theater Akzent war nicht gerade der ideale Rahmen für dieses außergewöhnliche Konzert. Doch die 1985 geborene Welserin mit dem bürgerlichen Namen Julia Pallanch sorgte auf Anhieb dafür, dass sich jeder wohlfühlte. Die super-sympathische Musikerin, die auch Flöte spielt, steht auch selbst für Kontraste. Einerseits singt sie mit wahrer Hingabe, andererseits erweckt sie in ihren charmanten Zwischenansagen den Eindruck, als gäbe es nur noch eines, das sie lieber machte als singen: reden. Einerseits plaudert sie mit ihrem Publikum, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, nämlich in breitem Oberösterreichisch, andererseits singt sie ausschließlich auf Englisch.Zwei Dinge sind es, die sofort Aufmerksamkeit wecken, wenn Lia Pale singt. Nichts klingt, wie man es gewohnt ist. Ob „Moon River“ oder das „Heideröslein“ - alles ist von Arrangeur Matthias Rüegg auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Tabus gibt es dabei keine, und die von Pale mehrfach heraufbeschworene „Jazz-Polizei“ hätte viel zu tun mit dem Strafzettelverteilen wegen Verstößen gegen das musikalische Reinheitsgebot. Vor allem aber ist ihre Stimme ungewöhnlich: glasklar wie Quellwasser und gänzlich ohne jenes rauchige, dunkle Timbre, mit dem andere Sängerinnen ihre unverwechselbare Atmosphäre erzeugen. Pale trifft den Ton, verwischt nichts, lässt nichts nachklingen und badet nicht in Stimmung. Ein reizvoller Interpretations-Ansatz, der buchstäblich aufhorchen lässt.Mit dem klassischen Pianisten Oliver Schnyder als Begleiter sang sich Pale vor der Pause mit viel Hingabe durch das Great American Songbook, Standards von Frank Sinatra oder Songs, die Filmgeschichte geschrieben haben. „Somewhere Over The Rainbow“ und „Some Day My Prince Will Come“ klangen in diesem Rahmen erstaunlich kitschbefreit. Gefühlsbetonter waren die Geschichten von den Katzen ihres Pianisten, die Pale zwischendurch erzählte und diesen danach entwaffnend anstrahlte: „Das Angenehme an der Klassik ist ja, dass die Sänger dazwischen nicht sprechen...“Das zweite Set bestritt Lia Pale mit jener Band, mit der sie schon „A Winter‘s Journey“ und „The Schumann Song Book“ erarbeitet hat: Pianist, Mentor und Arrangeur Mathias Rüegg, Perkussionistin Ingrid Oberkanins, Bassist Hans Strasser und Klarinettist Joris Roelofs. Für ein einziges Pfeif-Solo in „Sleeping Beauty“, von Pale „the other way around“ als Geschichte vom schlafenden jungen Mann gesungen, der durch die vorbeireitende Prinzessin wachgeküsst wird, glänzte Anna Bux in dem laut Pale erst zweiten öffentlichen Auftritt ihres Lebens. „The Brahms Song Book“ besticht mit demselben Konzept der beiden Vorgänger: Kunstlied goes Jazz. „Schwermut“, „Nachklang“ oder die „Schäf‘rin“ klangen immer interessant, immer anders, aber nie bloß nach „Hauptsache anders“.Als eine der Zugaben wurde „The Post“ im Eiltempo zugestellt. Absender ist natürlich nicht Brahms, sondern Schubert. Auf 55 Lieder haben es Lia Pale und Kompagnons bereits gebracht, ein breites Repertoire, aus dem nun geschöpft werden kann. Man wünscht ihr, dass es jene breite Aufmerksamkeit erhält, die das eigenwillige Konzept und diese erstaunliche Interpretin verdient haben. (Tiroler Tageszeitung Onlineausgabe, Fr, 22.02.2019)
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